„An einem Auslandssemester wächst man“
20. Januar 2016, von Internetredaktion

Foto: CESL/Koza
Ein Semester chinesisches Recht in Peking: Robin Koza, 22-jähriger Jurastudent der Universität Hamburg, besuchte 2015 die China-EU School of Law. Im Interview berichtet er von chinesischen Unterrichtsregeln und Essen mit zwei Paar Stäbchen.
Ein Semester chinesisches Recht in Peking: Robin Koza, 22-jähriger Jurastudent der Universität Hamburg, besuchte 2015 die China-EU School of Law. Im Interview berichtet er von chinesischen Unterrichtsregeln und Essen mit zwei Paar Stäbchen.
Sie haben gerade die letzten Prüfungen im Programm „Chinese Law Taught in English“ hinter sich gebracht, drei Examen und vier Essays. Was hat Ihnen das Semester juristisch gebracht?
Während des Semesters habe ich eine Perspektive eingenommen, in der das deutsche Rechtssystem nicht mehr vorherrschend war, sondern ich es im Vergleich zu anderen rechtlichen Lösungsansätzen betrachtet habe. Im Klassenraum kamen acht Nationalitäten zusammen: Inder, Russen, Deutsche, Spanier, Polen, Iren, Niederländer und natürlich Chinesen. Für mich war es ein Privileg, in dieser Vielfalt und den kleinen Klassengrößen von 20 bis 25 Studenten diskutieren und lernen zu dürfen.
Lernen chinesische Jurastudenten anders als deutsche?
Ein chinesischer Freund hat bei der Wohnungssuche gefragt, ob mein Mitbewohner und ich nicht zwei Schreibtische bräuchten, um in der Nacht noch beide lernen zu können. Die chinesischen Studenten lernen unheimlich diszipliniert, aber im Vordergrund steht das Auswendiglernen. In den Klausuren darf man keine Gesetzbücher nutzen, man muss die Normen im Kopf haben. In Deutschland lernen wir methodischer, das ist in meinen Augen die effektivere Herangehensweise. Mich hat auch verwundert, dass die Professoren die chinesischen Kommilitonen im Unterricht anhielten, zum Antworten aufzustehen.
Wie hat Ihnen das Land China denn insgesamt gefallen?
Um während eines Auslandssemesters möglichst viele Eindrücke zu sammeln – sehr gut. China ist eine bereichernde Erfahrung. Dieses aufstrebende Land hat so viel zu bieten – von Kulturgütern über faszinierende Natur bis hin zu modernsten Stadtzentren. Aber es kann aufreibend sein. Alles ist immer in Bewegung, Orte der Ruhe sind äußerst rar. Sich im Straßenverkehr von Peking zu bewegen, gleicht einer Mutprobe. Auch an die chinesische Esskultur musste ich mich gewöhnen. Als wir jedoch einmal privat durch den Kontakt meines Kommilitonen das Pekinger Büro der Kanzlei DLA Piper besucht haben, sind wir anschließend in einem Restaurant essen gegangen, in dem zwei Paar Stäbchen für jede Person bereit lagen: eines, um selbst damit zu essen und ein zweites, um anderen etwas aufzutun – das war eine sehr schöne und gesellige Art des Essens.
Was war Ihr Lieblingskurs an der Uni?
Mein Lieblingskurs war Non-Profit-Organisationen bei Qi Hong, einer sehr offenen, engagierten Professorin. Neben einem Gastvortrag hat sie auch eine Fahrt per Shuttlebus zur führenden chinesischen Kanzlei Dacheng organisiert, wo wir mit einer Anwältin darüber sprachen, wie chinesische Non-Profit-Organisationen im Land agieren können. Äußerst beeindruckend war auch der Besuch einer Gerichtsverhandlung innerhalb des Strafrechtskurses bei Prof. Yue Liling. Die Kursplanung der China-EU School of Law generell passte optimal in meinen Studienverlauf. Ich habe ein Praktikum in einer Medienrechts-Kanzlei an das Auslandssemester angehängt, ehe das neue Semester begann. Hausarbeiten hätte ich auch noch schreiben können.
Was hat Sie bei Ihrem Aufenthalt am meisten überrascht?
Die ersten Tage waren sehr kräftezehrend für mich. Der Kulturschock traf mich härter als erwartet. Die fremde Sprache, das ungewohnte Essen und die Ungewissheit darüber, wo man am Abend schläft, stellten eine Prüfung dar. Trotz anfänglicher Zweifel galt es jedoch, diese Steine aus dem Weg zu räumen und das Begonnene durchzuziehen. Ich hatte mich ja gerade für China und nicht Australien, Amerika oder Europa entschieden, weil ich ein anderes politisches System und eine nicht-westliche Kultur kennenlernen wollte. Den Gemütszustand der ersten Wochen in Erinnerung überrascht es mich nachträglich, wie souverän ich mit der gesamten Situation umgegangen bin und jetzt bin ich stolz, es geschafft zu haben. An einem Auslandssemester wächst man.
Und was hat Ihnen am meisten geholfen?
Freundschaft. Gerade in den ersten Tagen half mir und Tom, einem Hamburger Kommilitonen, unsere Freundschaft als Rückhalt und Motivation. Darüber hinaus hatte ich unheimlich Glück, Juncheng kennenlernen zu dürfen und mich über die Zeit mit ihm anzufreunden. Juncheng, sein deutscher Name ist Sebastian, studiert Jura und Deutsch an der China University of Political Science and Law. Er war eine große Hilfe in vielen Belangen wie zum Beispiel dem Mieten einer Wohnung unmittelbar gegenüber des Campus für 200 Euro im Monat pro Person. In ein paar Monaten sehe ich Juncheng wieder, da er ein Praktikum im Bundestag absolvieren und zu Besuch kommen wird. Ich empfehle jedem europäischen Studenten noch von Deutschland aus bei der chinesischen Universität auf einen chinesischen Buddy zu pochen, der einen durch die ersten Tage manövriert und vielleicht zu einem guten Freund wird.