Verfassungen: Mehr als ein Grundrechtekatalog für den Einzelnen
21. März 2017, von Internetredaktion

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Bei einem Workshop der China-EU School of Law haben 13 Verfassungsrechtler aus China und Europa gefordert, zwischenmenschliche und geschäftliche Beziehungen stärker in den Fokus von Verfassungsanalysen zu rücken. Zu diesem Ergebnis kamen sie bei der Tagung „Grundrechte und Interaktion – Beziehungen als Element von Verfassungskonzepten in China und der EU“ am 18. März 2017 an der Shandong Universität in Jinan. „Beziehungen zwischen Personen haben große Auswirkungen auf ihre Rechte und Pflichten“, erklärte Organisator Prof. Dr. Roland Broemel von der Universität Hamburg den erweiterten Ansatz. Üblicherweise stellen Verfassungsanalysen die Grundrechte des einzelnen Bürgers als Abwehrrechte gegen den Staat in den Mittelpunkt. Die Rechtsstellung des Einzelnen werde aber auch von seinem Verhältnis zu anderen Menschen beeinflusst – Familien zum Beispiel sind besonders geschützt. „Eine systematische Untersuchung von Verfassungskonzeptionen sollte daher Beziehungen stärker berücksichtigen“, sagt Broemel.
Auf der Tagung untersuchten die Rechtswissenschaftler aus China, Spanien, Polen und Deutschland anhand einzelner Bereiche wie Ehe und Familie, Minderheiten oder persönliche Daten systematisch, welche Rolle geschäftliche und private Beziehungen in den Verfassungen der Volksrepublik China und der Europäischen Union spielen. Diese Analysen bilden nun die Grundlage dafür, die Unterschiede zwischen den europäischen und chinesischen Verfassungskulturen aufzuzeigen. Die Ergebnisse der Arbeit werden im China-EU Law Journal der China-EU School of Law veröffentlicht.
Die 2008 gegründete Rechtshochschule China-EU School of Law in Peking versteht sich als Plattform für Rechtsdialog zwischen China und Europa. Ihr Anliegen ist es, das europäische Rechtssystem in China bekannter zu machen und das chinesische Rechtssystem in Europa. Daher unterstützt sie neben einer chinesisch-europäischen Juristenausbildung auch die Untersuchung rechtswissenschaftlicher Fragen mit Relevanz für China und Europa mit Stipendien und Forschungszuschüssen.
Die Universität Shandong wurde 1901 in der Stadt Jinan 400 Kilometer südlich von Peking als Kaiserliche Hochschule gegründet. Mit über 60.000 Studierenden zählt sie heute zu den größten Universitäten Chinas. Im Elite-Förderungsprogramm „211-Projekt“ des Bildungsministeriums der Volksrepublik China wurde sie als eine von rund 100 Universitäten besonders gefördert.