Wie klappt der Berufseinstieg bei einer Großkanzlei in China?Fünf Fragen an China-EU School of Law Alumna Li Huijun
7. August 2017, von Internetredaktion

Foto: Li Huijun
Ihr Arbeitgeber AnJie gilt als eine der besten chinesischen Anwaltskanzleien für internationale Schiedsverfahren. Vor ihrem Start als Anwältin dort studierte Li Huijun an der China-EU School of Law. Ein Interview darüber, wie man den Fuß in die Tür zu einem Traumjob bekommt.
Warum wollten Sie bei der Kanzlei AnJie anfangen?
Ich habe mich für AnJie entschieden, weil mich die hohe Qualität der Arbeit im Bereich der Streitschlichtung überzeugt hat. Die Kanzlei hat hier einen sehr guten Ruf bei Kunden und Anwälten. Tatsächlich hatte ich mich während der Jobsuche noch gar nicht entschlossen, mich auf Schlichtung zu spezialisieren. Ich war auch bei anderen Vorstellungsgesprächen mit mehr Fokus auf Transaktionsrecht. Aber AnJie hat mich dann am meisten überzeugt, weil das Team so professionell aufgestellt war.
Wie lief das Auswahlverfahren?
Ich fing für drei Monate als Praktikantin bei der Kanzlei an, bevor ich als Anwältin arbeitete. Die Praktikumsstelle war auf der Webseite der China-EU School of Law ausgeschrieben. Ich habe dann einen englischen und chinesischen Lebenslauf an den Ansprechpartner geschickt und wurde dann zu einem schriftlichen Test eingeladen, chinesisch-englische und englisch-chinesische Übersetzungen. Als ich das gut gemacht hatte, führten ein Partner, drei Associates und ein Foreign Counsel ein wirklich anstrengendes Vorstellungsgespräch mit mir, in dem sie mich mit Fragen zu meinem Studium und meinen Arbeitserfahrungen grillten. Aber ich hab es geschafft! Gerade wurde meine Anwaltslizenz wieder erneuert.
Was tun Sie an einem normalen Arbeitstag?
Es gibt keine Routine, jeder Tag ist anders. Ich begegne jeden Tag neuen Menschen und neuen Aufgaben. Da ich vorrangig an internationalen Schiedsverfahren arbeite, verfasse ich viele Dokumentationen. In der Regel betreuen wir in unserem Team 5 bis 10 Fälle auf einmal, da braucht man ein gutes Zeitmanagement. Üblicherweise stehe ich um 7 Uhr auf, fahre 45 Minuten ins Büro und beginne so um 9 Uhr. Bei AnJie ist die Kernzeit für Anwälte von 9 bis 18 Uhr mit etwa anderthalb Stunden Mittagspause. Aber die Anwälte fühlen sich ihrer Tätigkeit stark verschrieben, daher neigen sie dazu, bis spät am Abend zu arbeiten, manchmal auch bis 23 Uhr.
Welches Kriterium, glauben Sie, war ausschlaggebend bei Ihrer Einstellung?
Sehr wichtig waren hervorragende Englischkenntnisse. Noch wichtiger ist aber der internationale Blick auf das Recht. AnJie betreut viele internationale Rechtsangelegenheiten. Die Anwälte müssen daher mit der internationalen Rechtspraxis vertraut sein, da die Klienten aus unterschiedlichen Rechtskreisen kommen. Da sind Absolventinnen und Absolventen der China-EU School of Law natürlich im Vorteil. Mit dem guten internationalen Studium haben sie ihren Fuß in der Tür internationaler Kanzleien. Ich würde zudem allen Jurastudenten empfehlen, Praktika zu machen. Als Praktikantin bei dem Medienkonzern Thomson Reuters war es zum Beispiel Teil meines Jobs, chinesische Doktoranden in der Nutzung der juristischen Datenbank WestLaw zu schulen. Mit meiner Erfahrung mit der Recherche in internationalen Datenbanken konnte ich dann wieder im Vorstellungsgespräch punkten.
Was hat Sie während Ihrer Praktika am meisten beeindruckt?
Die sieben Monate, als ich einen Richter des Obersten Gerichtshofs Chinas bei den Fallbewertungen unterstützte, waren sehr spannend. Ich überprüfte die eingereichten Akten und Beweise und schrieb eine Empfehlung für die Fallbesprechung für den Richter, damit er entscheiden konnte, ob er diesen Fall auf Ebene des Obersten Gerichtshofs annimmt. Die meisten Fälle wurden nicht akzeptiert, weil sie die Anforderungen nicht erfüllen. Außerdem betreute ich viele Menschen, die wegen ihrer Fälle den Obersten Gerichtshof aufsuchten. Das war sehr aufreibend und herausfordernd, weil diese Menschen in der Regel wenig von der juristischen Grundlage des Falles verstehen. Meistens ging es um Handelsverträge. Ich hab dort nicht nur gelernt, was bei Fallbesprechungen wichtig ist, sondern auch, wie man Nicht-Juristen juristische Hintergründe erläuterte.
Li Huijun, 28, schloss 2015 das Doppelmaster-Studium an der China-EU School of Law mit einem LL.M. in „Chinesischem Recht“ von der China University of Political Science and Law und einem LL.M. in „Europa- und Völkerrecht“ der Universität Hamburg ab. Während des Studiums arbeitete sie 11 Monate als Praktikantin bei Thomson Reuters und 7 Monate beim Obersten Volksgericht der Volksrepublik China in Peking. Seit März 2015 arbeitet Li Huijun als Anwältin bei der chinesischen Großkanzlei AnJie.