"HYBRID MINDS", Dr. Jan Christoph Bublitz
Ein Interview mit Dr. Jan Christoph Bublitz zu seinem aktuellen Forschungsprojekt.
Das Projekt HYBRID MINDS untersucht ethische und rechtliche Fragen durch die Technologisierung des menschlichen Geists durch Neurotechnologien, welche die menschliche Psyche mit Künstlicher Intelligenz (KI) verbinden. Vereinfacht gesprochen geht es um Gehirnchips und ähnliche Technologien, die Gehirnsignale messen, verarbeiten, und ggf. an andere Geräte weiterleiten, oder die das Gehirn stimulieren. Ein medial bekanntes Beispiel sind die Entwicklungen der Firma Neuralink von Elon Musk. Doch in der medizinischen Forschung gibt es bereits weiter fortgeschrittenen Geräte. Sie unterstützen oder übernehmen psychische Funktionen, die etwa aufgrund von Krankheiten eingeschränkt sind. Solche Technologien erschaffen neue Interaktionsformen von Mensch und Maschine, bzw. zwischen dem Gehirn, dem menschlichen Geist, der Hardware der Neuroprothese und der sie steuernden Software, zu der selbstlernende Algorithmen oder andere KI Elemente zählen können. Damit werden KI Technologien direkt in die menschliche Psyche integriert. Das Produkt des Zusammenwirkens dieser verschiedenen Komponenten nennen wir einen Hybrid Mind.
Ziele des interdisziplinären Projekts liegen in Konzeptualisierung von Hybrid Minds sowie einem besseren Verständnis der Interaktionsformen zwischen Nutzern und diesen selbstlernenden Systemen, vor allem den Erlebnissen von Nutzern solcher Geräte: wie ist es, wie fühlt es sich an, wenn die eigene Psyche jedenfalls teilweise durch KI-Technologien beeinflusst wird? Der an der Fakultät für Rechtswissenschaft angesiedelte Projektarm beschäftigt sich mit der Analyse ethischer und rechtlicher Fragen, die durch Hybrid Minds aufgeworfen werden.
In welchem Kontext entstand die Idee zu Ihrem Forschungsprojekt? Was ist an dem Thema besonders interessant?
Das Projekt behandelt aktuelle Grundlagenfragen im Bereich der Neuroethik, eines meiner Forschungsgebiete. Die untersuchten Technologien sind brandaktuelle Entwicklungen, viele von ihnen bestehen derzeit nur als experimentelle Prototypen. Unter welchen Bedingungen sie weiterentwickelt und eingesetzt werden, bedarf der Klärung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung betreibt federführend mit Institutionen anderer europäischer Länder eine auch international attraktive und sichtbare Förderlinie zur Untersuchung ethischer, rechtlicher und sozialer Fragen von Neurotechnologien, die das Projekt finanziert.
Aus rechtlicher und rechtsethischer Sicht stellen sich mehrere spannende Fragen, etwa ob solche Geräte zum Teil des Körpers und der Person werden, wie es bei anderen Implantaten durchaus sein kann. Doch dann würde wohl auch die KI Teil des Körpers werden, was eine Reihe von Folgefragen etwa über die Verantwortungszuschreibung aufwirft. Vor allem aber sorgen Neurotechnologien im Allgemeinen derzeit für Diskussionen in internationalen Organisationen über einen angemessenen Schutz der Person auf menschenrechtlicher Ebene. Die OECD, UNESCO und andere Institutionen haben jüngst Berichte dazu veröffentlicht, derzeit wird das Thema vom UN-Menschenrechtsrat untersucht. Die Forschungsarbeiten meiner Projektpartner und mir werden dort rezipiert, was zugleich ein großes Privileg und eine Herausforderung ist.
Welche gesellschaftliche Relevanz hat das Forschungsprojekt? Was kann die Forschung in diesem Zusammenhang leisten?
Die Dynamik mit der technologische Fortschritte die Gesellschaft und das Leben Einzelner verändern, wird derzeit offensichtlich. Es bedarf antizipativer interdisziplinärer Forschung, die nah an den Entwicklungen ist und zugleich Raum zum Nachdenken über Grundsätzlicheres schafft. Unser Projekt behandelt einen recht speziellen Ausschnitt, an dem die Grenzziehung zwischen Mensch und Maschine verhandelt wird. Zudem geht es natürlich um die Entwicklung von Technologien, die das Leben vieler Menschen mit schweren Krankheiten und erheblichen Einschränkungen verbessern können. Die Geräte werden etwa für die Behandlung schwerer Depressionen entwickelt, die sich medikamentös nicht behandeln lassen, oder für Patienten, die nicht mehr sprechen oder sich bewegen können.
Projektpartner/ Gibt es weitere Projektbeteiligte?
Das Verbundprojekt besteht aus Partnern an der Charité Berlin (Prof. Surjo Soekadar, Klinische Neurotechnologie), der Technischen Universität München, der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (Prof. Marcello Ienca, Künstliche Intelligenz und Neurowissenschaft), und wird von der Rechtsfakultät der Universität Ottawa (Prof. Jennifer Chandler) koordiniert.
Ggf. Verlinkungen zur Webseite des Projektes/Fachveröffentlichungen zum Projekt:
Mehr über das Projekt und Veröffentlichungen erfahren Sie auf der Projektwebsite.