"Learning from Clinical Data. Ethical, Social and Legal Aspects (LinCDat)", Prof. Dr. Kai Cornelius
Mehrere nationale und internationale medizinische Forschungsprogramme, wie die deutsche Medizininformatik-Initiative oder das US-amerikanische CancerLinQ-Projekt, zielen auf die systematische Sammlung klinischer Daten (Daten aus der Patientenversorgung) für Sekundäranalysen in Forschungs- und anderen Lernaktivitäten ab. Bislang ist diese Sekundärnutzung jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Das Projekt "Learning from Clinical Data. Ethical, Social and Legal Aspects (LinCDat)" untersucht die Möglichkeit und den Nutzen eines Paradigmenwechsels in der Nutzung klinischer Daten. Im Rahmen des Projekts wurde kürzlich eine Stellungnahme zur sekundären Forschungsnutzung von Behandlungsdaten veröffentlicht, in welcher ein Umdenken beim Umgang mit Behandlungsdaten und eine gesetzliche Grundlage für die standardmäßige Datennutzung mit Widerspruchslösung gefordert wird.
In welchem Kontext entstand die Idee zu Ihrem Forschungsprojekt? Was ist an dem Thema besonders interessant?
Das Idee für das Projekt ist aus der Erkenntnis geboren worden, dass die in der Medizinischen Forschung tätigen Personen regelmäßig Scheu haben, den in der Behandlung der Patienten anfallenden Datenschatz zu heben, da die sekundäre Forschungsnutzung von Behandlungsdaten mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit belastet ist.
Welche gesellschaftliche Relevanz hat das Forschungsprojekt? Was kann die Forschung in diesem Zusammenhang leisten?
Die Corona-Pandemie hat auf dramatische Weise gezeigt, wie wichtig es ist, zu wissen, was in den Krankenhäusern passiert und wie es den Patienten geht. Diese Informationen sind unentbehrlich – für die biomedizinische Forschung, für die Epidemiologie und damit auch für fundierte politische Entscheidungen in schwierigen gesellschaftlichen Situationen. Statt auf Daten aus deutschen Krankenhäusern konnten sich Wissenschaft und Politik bisher nur grob auf Daten aus anderen Ländern stützen.
Die bei der Behandlung anfallenden Daten stellen auch über pandemische Ausnahmesituationen hinaus einen Schatz dar, den es zu heben gilt, beispielsweise zur Erforschung von Krebs und Herz-Kreislaufkrankheiten, seltenen Erkrankungen und vielen anderen Bereichen von medizinischer Relevanz – kurzum – zur Vergrößerung des biomedizinischen Wissens und damit letztlich zur Verbesserung der zukünftigen medizinischen Versorgung.
Welche zukünftigen Entwicklungen/Veränderungen wären wünschenswert?
Hier ist insbesondere die Rechtssicherheit für Sekundärnutzung der Behandlungsdaten mit einer Präferenz für die Widerspruchslösung zu nennen. Diese muss – zur Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – in eine Vertrauensarchitektur eingebettet sein, wobei auch die Idee der Datentreuhandschaft nutzbar gemacht werden kann. Dabei darf die Arbeit mit den Daten nicht auf die Kosten von Gesprächszeit und Behandlungsqualität gehen.
Gibt es weitere Projektbeteiligte?
Das Projektteam besteht aus folgenden Beteiligten:
- Ethical: Dr. phil. Christoph Schickhardt, Dr. phil. Martin Jungkunz
- Socio-Empirical: Dr. phil. Katja Mehlis, Anja Köngeter M.A.
- Legal: Prof. Dr. Kai Cornelius, LL.M., Markus Spitz, Adrian Thorogood B.A.& Sc., B.C.L./LL.B., LL.M. (Mercator Fellow)
Fachveröffentlichungen zum Projekt:
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts sind auf der Webseite des Projekts veröffentlicht:
https://www.nct-heidelberg.de/forschung/nct-core-services/nct-epoc/research/lincdat.html