„Wir sprachen sehr offen über das chinesische Rechtssystem“
21. Februar 2018, von Internetredaktion

Foto: CMS
Ein Maître en Droit aus Paris, ein Jura-Staatsexamen aus Berlin und der LL.M. in „European and International Law“ aus Peking – Johannes Bescher hat das europäische Recht schon aus vielen Blickwinkeln betrachtet. Als Senior Associate der Kanzlei CMS Hasche Sigle berät er Mandanten aus ganz Europa.
Worum genau geht es in Ihrem Job?
Ich betreue vor allem Immobilientransaktionen und Bauprojekte. Bei letzterem geht es für mich als Anwalt insbesondere um die Begleitung von Schiedsverfahren bei großen, internationalen Bauprojekten. Wenn beispielsweise ein Generalunternehmer ein Kraftwerk baut, ist in Verträgen in der Regel eine Schiedsklausel vorgesehen. Gibt es Streit, landen die Beteiligten nicht vor staatlichen Gerichten, sondern einigen sich in einem Schiedsverfahren. Wir betreuen sie. Besonders spannend finde ich Fälle, bei denen sich unterschiedliche internationale Anknüpfungspunkte bieten – etwa ein Schiedsverfahren in Paris, zu dem wir einen Mandanten aus Spanien begleiten, der für einen Auftraggeber aus Schweden auf Grundlage von Common Law ein Kraftwerk in Deutschland baut.
Solche Schiedsverfahren laufen ganz anders als das Immobilien-Transaktionsgeschäft, mein zweiter Schwerpunkt. Transaktionen sind häufig getrieben von kurzen Fristen. Aufgabe der Kanzlei ist unter anderem, durch gute Koordinierung der Projektbeteiligten die Transaktion möglichst schnell voranzutreiben. Das ist ein ganz anderer und viel dynamischerer Prozess als bei den Schiedsverfahren zu großen Bauprojekten, wo es eher darum geht, Sachverhalte tief aufzuarbeiten und überzeugend darzustellen. Insofern ergänzt sich das sehr gut.
Hat Ihr Studium an der China-EU School of Law Sie auf Ihre heutigen Tätigkeiten vorbereitet?
Mir hatte schon für die Masterarbeit an der China-EU School of Law ein Bekannter aus dem Pekinger Büro von CMS ein paar Tipps aus der beruflichen Praxis gegeben, damit ich mein Thema nicht rein vom Schreibtisch aus sehe, sondern von einem in China praktizierenden Anwalt in Perspektive gerückt bekomme. Dadurch kam mein erster beruflicher Kontakt zu CMS zustande. Nach dem Master arbeitete ich dann vier Monate bei CMS Shanghai, wo es mir so gut gefiel, dass ich Lust bekam, in derselben Kanzlei in Deutschland weiterzuarbeiten.
Aus der Sicht eines Anwalts: Würden Sie wieder an der China-EU School of Law studieren?
Akademisch möchte ich insbesondere die Lehrveranstaltungen in „Chinese Law Taught in English“, die das Masterstudium ergänzen, nicht missen. Das waren eher Foren als tatsächliche Lehrveranstaltungen. Die meisten Professoren, allesamt Chinesen, hatten einen europäischen oder amerikanischen Hintergrund, etwa weil sie in den USA studiert und praktiziert hatten. Mit ihnen konnten wir sehr angeregt und ganz offen über die Besonderheiten der chinesischen Gesellschaft und des Rechtsystems sprechen. Bei Vielem war ich erstaunt, dass man es so offen in Lehrveranstaltungen thematisieren kann.
Im LL.M.-Programm studierten 2013/14 nur drei Europäer und die anderen ungefähr 80 Mitstudenten waren Chinesen – das forderte uns, nicht in einer Blase sogenannter Expats, also in China lebender Ausländer, zu bleiben, sondern tatsächlich einzutauchen in die chinesische Studentenwelt. Das hat auch super funktioniert. Ich hatte zusätzlich den Vorteil und das Glück, in einer chinesischen WG zu wohnen. Dadurch hatte ich viel Kontakt zu chinesischen Studenten, mit denen ich auch den Alltag verbracht habe. Heute pflege ich vor allem über WeChat, das chinesische WhatsApp, auf privater Ebene immer noch viele Kontakte zu Chinesen; gerade letztes Wochenende war ein Kommilitone aus Peking zu Besuch in Berlin und ich habe ihm die Stadt gezeigt.