Hintergrundgespräch für die WOZ: Die utopische Kraft der Städte
5. Juli 2018, von Internetredaktion

Foto: WOZ
Annika Jikhareva und Raphael Albisser berichten in der Schweizerischen Wochenzeitung WOZ in ihrem Artikel "Die utopische Kraft der Städte" über die aktuellen flüchtlingspolitischen Entwicklungen an den Außegrenzen der EU und der Rolle der Städte in der Debatte um die Seenotrettung. Helene Heuser stand für ein Hintergundgespäch zur Verfügung. Hier einige Ausschnitte aus dem sehr gelungenen und umfassenden Artikel:
...
Auch Juristin Helene Heuser beobachtet eine immer engere Vernetzung zwischen den Städten. Bei Netzwerken wie Eurocities oder der Initiative Global Parliament of Mayors des kürzlich verstorbenen US-Politologen Benjamin Barber sei Migration zwar nur ein Thema von vielen, andere Verbünde seien hingegen speziell dafür gegründet worden: Solidarity City etwa oder die weniger radikale Initiative Solidarity Cities, an der auch die Stadt Zürich teilnimmt. «Je deutlicher sich die Städte äussern, desto mehr fallen sie auch auf nationalstaatlicher oder sogar auf EU-Ebene ins Gewicht», sagt Heuser.
...
Weil es zur Frage der Autonomie von Gemeinden in Sachen Migrationspolitik keine Präzedenzfälle gebe, sei die Rechtslage alles andere als klar, sagt Heuser. «Die Städte könnten durchaus ihre juristischen Spielräume ausloten.» Im Fall der Seenotrettung brechen Staaten internationales Recht, wenn sie die Schiffe nicht einlaufen lassen – und nicht die Städte, die Gerettete aufnehmen möchten. Auch mit den immer neuen Verschärfungen verletzen viele EU-Staaten die Rechte von Geflüchteten. In letzter Instanz könnten Städte deshalb mit den verbrieften Menschenrechten argumentieren."
«Kommunen könnten noch aufmüpfiger werden und sich offen über die Gesetze hinwegsetzen», findet Heuser. «Kommunaler Ungehorsam» nennt die Wissenschaftlerin eine solche Praxis. Sie glaubt, die aktuelle Blockade in der EU könnte zum Erweckungserlebnis für die Städte werden – und dazu beitragen, dass sie eine «Ethik der Gastfreundschaft» entwickeln, wie der französische Philosoph Jacques Derrida es einmal ausgedrückt habe.
...