Internationale Tagung an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg – „Economically-dependent Workers as Part of a Decent Economy“
22. Juni 2022, von Internetredaktion
Der Schutz von wirtschaftlich abhängigen Selbständigen ist in der Europäischen Union nicht einheitlich geregelt. Nur ein Teil der Mitgliedstaaten gestaltet die Rechtsstellung solcher Beschäftigter, die in ihrem Schutzbedarf Arbeitnehmern ähnlich sind, spezifisch aus. Die verschiedenen Rechtsordnungen weisen diesbezüg-lich jedoch erhebliche Unterschiede auf. Fünfzehn Arbeitsrechtswissenschaftler aus zwölf verschiedenen Ländern haben dies in einem rechtsvergleichenden Pro-jekt aufgearbeitet und Vorschläge für eine Weiterentwicklung der nationalen und europäischen Rechtsordnung gemacht. Diese Forschungsergebnisse wurden im Rahmen einer internationalen Tagung am 5. Und 6. Mai 2022 an der Universität Hamburg vorgestellt.
Die Tagung begann mit der Präsentation der Ergebnisse der Forschungsgrup-pen durch Prof. Dr. Claudia Schubert (Universität Hamburg) und Prof. Dr. Rüdi-ger Krause (Universität Göttingen), gefolgt von Kommentaren zur Weiterent-wicklung des Rechts schutzbedürftiger Solo-Selbständiger. Als eine weitere Möglichkeit zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen stellte Prof. Dr. Giovanni Sartor gemeinsam mit Prof. Dr. Francesca Lagioia (University of Bo-logna) das Legal Tech Projekt CLAUDETTE vor, dass eine Klauselkontrolle bei Standardverträgen ermöglicht und Teil einer Empowerment-Strategie mit Hilfe künstlicher Intelligenz ist.
Gegenstand der Tagung war außerdem das aktuelle Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission zur Plattformbeschäftigung, durch das die zutage getreten Schutzbedarfe mittels einer Verbesserung der An-wendung des Arbeitsrechts, aber auch durch eine kollektive Selbsthilfe der Selbständigen befriedigt werden sollen. In diesem Rahmen stellten Tobias Müllensiefen (EC, DG Employment, Social Affairs and Inclusion) den Richtlinienvorschlag zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten und Aristei-dis Demiroglou (EC, DG Competition) den Entwurf der Leitlinien für Kollektivverhandlungen von Selbstän-digen vor. Beide Vorschläge wurden von den Teilnehmern der Tagung kontrovers diskutiert.
Die sozialversicherungsrechtliche Dimension des Schutzes von Selbständigen zeigte Prof. Dr. Grega Strban (Universität Ljubljana) in seinem Vortrag „Social Security Coordination and non-standard forms of employ-ment and self-employment“ auf. Anknüpfend daran präsentierten Prof. Dr. Annamaria Westregard und Dr. Maria Fritz (beide Universität Lund) ihr Forschungsprojekt zur Sozialversicherung neuer Arbeitsformen, ins-besondere von arbeitnehmerähnlichen Personen, vor.
Die Vorträge reflektierten sich in den Kommentaren von Prof. Dr. Elisabeth Brameshuber (Universität Wien), Prof. Wang Qian (Tongji University Shanghai) und den Beiträgen der Arbeitsgruppenmitglieder Prof. Dr. Mijke Houwerzijl (University of Tilburg), Prof. Dr. Anne Davies (University of Oxford), Prof. Dr. Elena Gramano (Bocconi University) und Prof. Dr. Franz Marhold (Vienna University of Economics and Business). Der aktuelle Handlungsbedarf und die Vielzahl der relevanten Rechtsfragen wurden durch die anschließenden Diskussionen verdeutlicht.
Vollständiger Tagungsbericht (PDF)