Bericht: Diskriminierung im Staatsexamen? - Podiumsdiskussion
7. November 2018, von Internetredaktion
Im Wintersemester 2018/2019 lud das Gleichstellungsreferat zu einer Podiumsdiskussion ein, um der Frage nachzugehen, ob, und wenn ja, wie es in den mündlichen Examensprüfungen zu Diskriminierung kommt. Hierzu waren als Gäste eingeladen:
•Richterin Ulrike Greese, Justizprüfungsamt Hamburg,
•Prof. Dr. Judith Brockmann, Universität Hamburg, und
•Prof. Dr. Emanuel Towfigh, EBS Universität für Wirtschaft und Recht Wiesbaden.
Der Abend begann mit einer Vorstellung der Studie zu der Thematik durch Professor Towfigh. In dieser wurden Daten aus Nordrhein-Westfalen untersucht, um systematische Geschlechts- und/oder Herkunftsunterschiede in Prüfungsergebnissen zu finden, und inwieweit Diskriminierung hierfür ein möglicher Grund ist.
Professor Towfigh legte in seiner Präsentation nicht nur die Datengrundlage, sondern auch die Resultate der Studie umfangreich dar. Er kommt zusammen mit seinen Ko-Autoren zu dem Ergebnis, dass Frauen durchschnittlich 0,3 Punkte schlechter abschneiden und eine etwa 17% geringere Rate an Prädikatsnoten erreichen. Bildet man hier sogenannte statistische Zwillinge, also sucht man Personen, die sich in möglichst vielen Merkmalen ähneln, wird der Unterschied sogar noch deutlicher.
Auch beim zweiten Examen lassen sich Unterschiede erkennen. Hier sind Frauen um 0,14 Punkte schlechter, die Rate der Prädikatsexamen liegt hier aber „nur noch“ bei 3,6 Prozent unter der der Männer.
Wichtig ist hierbei, die komplexen Gründe für das schlechtere Abschneiden zu berücksichtigen. So kann dies nicht allein über den Faktor Leistung erklärt werden, sondern z.B. auch damit, dass Frauen als weniger wettbewerbsorientiert wahrgenommen und auch sozialisiert werden.
Spannend ist, dass das schlechtere Abschneiden von Frauen nicht mehr festzustellen ist, sobald mindestens eine Prüferin in der Kommission ist.
Auch für sogenannte Herkunkftseffekte konnte signifikante Ergebnisse aufgezeigt werden. Hier konnte festgestellt werden, dass Prüflinge mit vermutetem Migrationshintergrund1 im Durchschnitt lediglich eine Gesamtnote von 6,51 Punkten im ersten Examen erreichen konnten, im Gegensatz hierzu erreichten deutsche Prüflinge 7,93 Punkte. Als Ursachen für die Herkunfts- und Geschlechtseffekte werden im Fazit werden sowohl Diskriminierung, wie auch die Zusammensetzung der Kommission und mögliche Diskriminierung diskutiert.
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass bereits viel von Prüfungsämtern und prüfenden Personen unternommen wird. Richterin Greese berichtete, dass das Hamburger JPA bereits darauf achte, möglichst viele Prüferinnen einzusetzen. Darüber hinaus würde dafür Sorge getragen, dass sich keine festen Gruppen von Prüfenden bilden, sondern diese immer wieder in neuen Kommissionen zusammengesetzt werden. Auch die Frage, ob es sinnvoll sei, dass die Kommission die Vornoten der Studierenden kennt, wurde diskutiert. Hier ließe sich beobachten, dass das Vorliegen der Noten eher dazu führe, dass Personen über die Notenschwelle zum „vb“ gehoben werden, was aber ebenfalls weniger für Frauen und Personen mit Migrationshintergrund gelte. Gleichzeitig würden die Vornoten laut Prüfungsamt auch dazu dienen, den Prüfenden zu helfen, schnell ein Bild der Person zu bekommen, die geprüft wird. Dies wurde jedoch kritisch von einigen Anwesenden bewertet. Professorin Brockmann berichtete aus fachdidaktischer Sicht, dass es insgesamt nur wenige Untersuchungen hierzu gäbe und auch die Bewertungskriterien wenig einheitlich seien. Der Blick müsse bereits auf Strukturen innerhalb des Studiums gelenkt werden, um frühzeitig Ursachen entgegenwirken zu können.
Weitere Informationen zur Studie und deren Ergebnissen finden Sie hier.
1 Als Faktoren wurden hier sowohl die Ergebnisse einer onomastischen Namensanalyse, sowie das Geburtsland und die Staatsangehörigkeit bestimmt.