Bildungskosten als Erwerbsaufwendungen im Einkommensteuerrecht: Vom Wandel der Wirklichkeit zum Wandel des Rechts
Publikationsdetails
- Autor(en): Prof. Dr. Arndt Schmehl
- Titel: Bildungskosten als Erwerbsaufwendungen im Einkommensteuerrecht: Vom Wandel der Wirklichkeit zum Wandel des Rechts
- Jahr: 2007
- Herausgeber: Walter Gropp / Martin Lipp / Heinhard Steiger
- Erschienen in: Rechtswissenschaft im Wandel. Festschrift des Fachbereichs Rechtswissenschaft zum 400jährigen Bestehen der Universität Gießen
- Ort: Tübingen
- Seiten: 305-319
Die ökonomischen Aspekte von Bildung werden zunehmend wahrgenommen und strikte Unterscheidungen zwischen Erwerbs- und Bildungsleben verlieren an Überzeugungskraft. Dies wirkt sich auf das Einkommensteuerrecht aus und rührt notwendigerweise an einige seiner Grundfragen. So erfüllte die Abgrenzung zwischen Ausbildung und Fortbildung einmal die Funktion eines bereichsspezifischen Ersatzes für das allgemeine Veranlassungsprinzip. Die zwischenzeitliche Rückkehr zum "puren" Veranlassungsprinzip ist infolge des Wandels der Verhältnisse inhaltlich vollauf berechtigt, hat aber durch den Abschied vom richterrechtlichen Ersatzkriterium auch freigelegt, wie viel Unsicherheit an dieser zentralen Schaltstelle des Steuerrechts besteht.
Die daraufhin erfolgte aktuelle gesetzliche Regelung zur beschränkten Abzugsfähigkeit von Bildungsaufwendungen nach § 12 Nr. 5 und § 10 Nr. 7 EStG schafft zwar wieder mehr Rechtsklarheit, ist aber missglückt, da sich § 12 Nr. 5 EStG der Wirklichkeit, auf die sich die Besteuerung bezieht, und der Anknüpfung an eine folgerichtige Systematik teils verschließt und daraufhin ungeeignete Differenzierungen trifft. Die mangelnde inhaltliche Konsistenz der Differenzierungskriterien des § 12 Nr. 5 EStG tritt so deutlich hervor, dass die Geltendmachung ihrer Unvereinbarkeit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aussichtsreich ist.
Die mangelnde Haltbarkeit der gegenwärtigen Rechtslage bedeutet nicht, dass etwa eine völlig uneingeschränkte Abzugsfähigkeit von Bildungsaufwendungen nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips verfassungsrechtlich unausweichlich wäre. Wegen der Grenzlage der Bildungsaufwendungen in der Nähe zur privaten Vorsorge und der Überschneidungen mit dem Familienleistungsausgleich und dem Ausbildungsförderungsrecht ist der Spielraum des Gesetzgebers weit genug gezogen, um für den Sachbereich der Bildungsaufwendungen abweichende Regelungen gegenüber einem uneingeschränkten Veranlassungsprinzip zu treffen.