Lehren und Lernen in der digitalen Transformation
Auch mit Blick auf die Ausbildung zukünftiger Jurist:innen wirft die digitale Transformation zahlreiche Fragen auf. Diese lassen sich in zwei Felder unterteilen: Zum einen die bereits angesprochene Frage nach den Kompetenzen, die Jurist:innen benötigen, um mit den durch die digitalen Technologien hervorgerufenen Veränderungen des Rechts und der Rechtspraxis kompetent umzugehen, diese kritisch zu reflektieren, zu beurteilen, zu begleiten und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu gestalten. Zum anderen wirken sich die Veränderungen der Gesellschaft aber auch direkt auf die Rahmenbedingungen unseres juristischen Lehrens und Lernens aus.
Uns geht es in diesem Forschungsfeld darum, den didaktisch produktiven Umgang mit der digitalen Transformation für das Lehren und Lernen des Rechts und der Rechtswissenschaft ins Zentrum zu rücken; indirekte Relevanz erlangen in diesem Kontext Lehr-Lern-Szenarien, die typischerweise unter den Stichworten „e-Learning“, „blended learning“ oder auch Digitalisierung der Lehre verhandelt werden. Während selbstverständlich entsprechende Konzepte und Methoden dort eingesetzt werden können und sollen, wo sie zum Erreichen relevanter Lernziele hilfreich erscheinen, sehen wir eine direkte Verknüpfung eher als wenig hilfreichen Kurzschluss. Kern unseres Forschungsinteresses sind daher Lehren und Lernen in der digitalen Transformation, aber nicht (primär) durch dieselbe.
Der erste Komplex an Fragen zum Lehren und Lernen des Rechts in der digitalen Transformation knüpft an die oben beschriebenen Veränderungen der Geschäftsmodelle, der Rechtspraxis, der Methoden und der Berufsbilder an. Aus didaktischer Sicht gilt es zu analysieren, welche Kompetenzen die Studierenden und Doktorand:innen der Rechtswissenschaft erwerben müssen, um auf diese Veränderungen angemessen vorbereitet zu sein. Aufgrund der oben beschriebenen Zusammenhänge gehen wir von der Hypothese aus, dass der Erwerb technischen Verständnisses zwar notwendig, aber nicht hinreichend ist, sondern dass kritische Beurteilungskompetenzen hinsichtlich der Möglichkeiten der Digitalisierung des Rechts, aber auch in Bezug auf deren Grenzen, erforderlich sind und mit einer Stärkung der Grundlagenkompetenzen einhergehen müssen. Über das technisch-handwerkliche Können in der Aufbereitung von Normtexten, deren systematischen Verknüpfungen und deren Anwendung auf konkrete Fallkonstellationen hinaus bedarf es vertieften Reflexionsvermögens, was eigentlich das Spezifische des juristischen Argumentierens und Entscheidens ausmacht. Die in der Ausbildung lange Zeit eher vernachlässigte Rechtstheorie wird insoweit eine Aufwertung erfahren müssen, kann doch nur im Blick auf die sprachtheoretischen Grundlagen verstanden werden, wie juristische Operationen durch Mehrdeutigkeit von Sprache und Sprachpragmatik geprägt sind, aber auch von sozialen Kontexten und Vorverständnissen, „sozialen Konstruktionen der Realität“, die ihrerseits im Recht partiell eingelagert sind.
Der zweite Themenkomplex zielt darauf ab, wie sich die Studierenden in Zeiten der digitalen Transformation Kompetenzen im Bereich der Rechtswissenschaft aneignen und wie sie dabei bestmöglich unterstützt werden können. Neben allgemeinen didaktischen Fragen – die im Rahmen dieses Projekts nicht erforscht werden sollen – existieren auch insofern fachspezifische Herausforderungen im Bereich der Lehre. Hierzu gehört beispielsweise der Umgang mit der steigenden Anzahl digital verfügbarer rechtlicher Daten, bezüglich derer die Studierenden Bewertungs und Selektionskompetenzen einüben müssen. Angesprochen sind damit auch Fragen des rechtswissenschaftlichen Arbeitens, Recherchierens und Schreibens, die vor dem Hintergrund der sich verändernden Medien erst recht und erneut in den Fokus der Fachdidaktik gerückt werden müssen.
Zur Beantwortung dieser Fragen gilt es, zum einen die zu gewinnenden empirischen Forschungsergebnisse betreffend die Veränderungen der Rechtspraxis und der Berufsbilder miteinzubeziehen; zum anderen ist es unerlässlich, sowohl an die Erkenntnisse der allgemeinen und fachbezogener Hochschuldidaktiken als auch an die internationale Diskussion zur juristischen Lehre anzuschließen. Neben einer theoretischen Analyse der betreffenden Fragestellungen sollen einzelne Interventionen in Lehrveranstaltungen, insbesondere des Schwerpunktbereichsstudiums, als Piloten einbezogen und ausgewertet werden.
Das Forschungsfeld Lehren und Lernen in der digitalen Transformation wird von Dr. Tina Ladwig, Prof. Dr. Mareike Schmidt und Prof. Dr. Hans-Heinrich Trute betreut.