Neue Ergebnisse der MOTRA-Forschung: Auswirkungen der Konfrontation mit den bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israel und palästinensischen Gruppierungen im Mai 2021 auf die Verbreitung antisemitischer Einstellungen in Deutschland
11. April 2024, von Internetredaktion
Dr. Katrin Brettfeld hat gemeinsam mit Dr. Eylem Kanol vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), Dr. Thomas Richter vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg (GIGA), und Prof. Dr. Peter Wetzels vom Institut für Kriminologie an der Fakultät für Rechtswissenschaft der UHH am 6. April 2024 unter dem Titel „The impact of the Israeli-Palestinian conflict on intergroup attitudes in Germany: Evidence from a natural experiment“. auf der 81. Jahrestagung der Midwest Political Science Association in Chicago Resultate eines natürlichen Experiments zu den Auswirkungen der Konflikteskalation zwischen Israel und palästinensischen Gruppierungen im Mai 2021 auf die Verbreitung antisemitischer Vorurteile bei Menschen in Deutschland vorgestellt. Die Studie basiert auf den Daten der im Rahmen des MOTRA Forschungsverbundes am Institut für Kriminologie seit März 2021 jährlich wiederholt durchgeführten, repräsentativen Bevölkerungsbefragung „Menschen in Deutschland“ (MiD). Innerhalb dieser Studie werden neben Einstellungen zu Demokratie und Rechtsstaat sowie Formen des politischen Extremismus auch Hass, Intoleranz und soziale Vorurteile, darunter auch Antisemitismus, untersucht.
Während der ersten Erhebungswelle von MiD, die 2021 von März bis Juni stattfand, kam es ab dem 10. Mai 2021 zu etwa 10 Tage andauernden massiven bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israel und palästinensischen Gruppierungen. Nach einer Eskalation von Konflikten, die in Jerusalem stattfanden und am 10. Mai 2021 begann die palästinensische Hamas am 10. Mai mit Raketenangriffen auf Israel. Daraufhin erfolgten Gegenreaktionen der israelischen Streitkräfte, u.a. auch Luftwaffeneinsätze. Am 21. Mai kam es dann schließlich zu einem Waffenstillstand. Im Zuge dieser bewaffneten Auseinandersetzungen wurden zwischen dem 10. und dem 21. Mai 2021 mindestens 248 Palästinenser (darunter auch mehr als 50 Kinder) und 13 Israelis getötet. Darüber hinaus wurden mehrere tausend Menschen wurden verletzt. In zahlreichen Städten in Israel, dem Westjordanland und in Gaza kam es zu Protesten, die auch mit Gewalt verbunden waren. Über diese Geschehnisse wurde 2021 in Deutschland in den Medien umfangreich über viele Tage berichtet.
Da diese Konfliktzuspitzungen und militärischen Einsätze unvorhergesehenerweise in der Mitte der Feldphase der Studie stattfand, konnte über Vergleiche der Angaben von Personen, die einerseits vor und andererseits nach deren Beginn befragt wurden, untersucht werden, inwiefern solche Konfrontationen mit derartigen Geschehnissen im Ausland Ausstrahlungswirkungen auf Einstellungen von Menschen innerhalb Deutschlands, u.a. mit Blick auf antisemitische Ressentiments, entfalten.
Die Ergebnisse der dazu durchgeführten Analysen zeigen: Im März und April 2021 deutlich vor der militärischen Eskalation dieser Konflikte Befragte wiesen signifikant geringere Ausprägungen klassisch antisemitischer Einstellungen auf als Personen, die ab dem 10. Mai 2021 bis Mitte Juni an den Befragungen teilnahmen. Dieser Befund erwies sich auch multivariat, nach Kontrolle möglicher soziodemographischer Differenzen und anderer Einflussfaktoren, als überwiegend stabil.
Die Resultate dokumentieren auf Basis eines quasiexperimentellen prä-post Designs unter Nutzung bevölkerungsrepräsentativer Daten, dass derartige politische Entwicklungen außerhalb Deutschlands erhebliche Auswirkungen auf soziale Vorurteile und Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit innerhalb Deutschlands entfalten können. Sie sind insofern sowohl in außen- als auch in innenpolitischer Perspektive hoch relevant.
Die Präsentation steht hier zum Download zur Verfügung.