Neue Erkenntnisse aus dem MOTRA Forschungsverbund: Aktuelle Daten über die Entwicklung der Verbreitung von Demokratieskepsis und Autokratieakzeptanz in Deutschland zwischen Dezember 2023 und April 2024
21. Mai 2024, von Internetredaktion
Am 16.5.2024 hat Prof. Dr. Peter Wetzels vor zahlreichen Vertretern der Städte und Gemeinden des Regierungsbezirks Düsseldorf einen Vortrag unter dem Titel „Gefahren einer Erosion der Bindungen an Demokratie und Rechtsstaat in Zeiten multipler Krisen? Aktuelle Erkenntnisse repräsentativer Studien zu Hintergründen und Umfang der Verbreitung von Autokratieakzeptanz in Deutschland” gehalten. Mit diesem Vortrag wurden neue Ergebnisse aus den drei jüngsten repräsentativen Online-Umfragen vorgestellt, die im Dezember 2023 sowie März 2024 und April 2024 durch das Institut für Kriminologie an der UHH in Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien in Hamburg (GIGA) im Rahmen der Studie „Menschen in Deutschland International“ (MiDInt) durchgeführt wurden.
Die Ergebnisse dieser in den MOTRA-Forschungsverbund eingebetteten Untersuchungen zeigen, dass etwa ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands sich im April 2024 dafür ausspricht, in der gegenwärtigen, durch vielfältige Krisen gekennzeichneten Lage zentrale Grundelemente einer freiheitlichen Demokratie einzuschränken und autoritäre Formen staatlicher Entscheidungsfindung zu akzeptieren. Die Verbreitung solcher Formen von Autokratieakzeptanz ist um so stärker, je mehr soziale und wirtschaftliche Einschränkungen Befragte in den Bereichen Arbeit, Wohnen und alltägliche Grundversorgung in den nächsten Monaten für sich erwarten. Sie tritt ferner vermehrt bei Personen auf, die staatlichen Institutionen wenig vertrauen und in deren Augen gesellschaftliche Entscheidungsträger nicht gewillt oder unfähig sind, die gegenwärtigen Krisen im Interesse der Bürger:innen erfolgreich zu bewältigen.
Aktuell finden sich leichte, statistisch signifikante Rückgänge der Verbreitung von Autokratieakzeptanz in Deutschland: Die Raten sind von 29,2% im Dezember 2023 auf 25,3% im April 2024 gesunken. Dies könnte mit den Protesten gegen Rechtsextremismus und den öffentlichen Debatten um die Notwendigkeit einer Verteidigung der Demokratie gegen Bedrohungen durch Formen des politischen Extremismus zusammenhängen, die seit dem Jahreswechsel vermehrt stattgefunden haben. Dennoch ist auch im April 2024 immer noch bei einer erheblichen Minderheit die Tendenz zu erkennen, in einer als krisenhaft erlebten gesellschaftlichen Lage Lösungen in der Etablierung autoritärer staatlicher Strukturen zu suchen.
Das Ausmaß der Autokratieakzeptanz unterscheidet sich zwischen verschiedenen Altersgruppen. Sie ist bei Erwachsenen im Alter zwischen 30 und 40 am häufigsten zu finden. Die Raten sind zwar auch hier von 34,7% im Dezember 2023 allmählich auf 27,4% im April 2024 zurückgegangen. Es ist aber immer noch bei mehr als einem Viertel die Neigung zu erkennen, in autoritären Politikkonzeptionen eine Lösung für gesellschaftliche Krisen zu suchen. Die vergleichsweise niedrigsten Raten der Autokratieakzeptanz sind bei 18- bis unter 30-jährigen zu finden. Auch hier ist ein Rückgang von 26,0% im Dezember 2023 auf 23,5% im April 2024 zu konstatieren. Aber auch eine solche Rate von mehr als einem Fünftel junger Erwachsener, die autokratische Politikkonzeptionen befürworten, ist für eine freiheitliche Demokratie problematisch.
Das Ausmaß der Autokratieakzeptanz in Deutschland und ihre Kombination mit Verlusten des Vertrauens in staatliche Institutionen, stellt gegenwärtig eine erhebliche Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Gesellschaft dar. Die Zusammenhänge mit subjektiv befürchteten persönlichen sozioökonomischen Belastungen markieren dabei zentrale Herausforderungen für eine Sozial- und Wirtschaftspolitik, die nötig wäre, um diese existenziellen Sorgen der Bürger:innen angemessen aufgreifen und dabei auch die Verluste ihres Vertrauens in staatliche Institutionen und die Demokratie wieder ausgleichen zu können.
Darauf bezogene Fragen und mögliche Perspektiven und Handlungsoptionen wurden in einer an den Vortrag anschließenden Podiumsdiskussion engagiert erörtert, an der aus dem MOTRA Verbund Dr. Katrin Brettfeld (UHH), Dr. Thomas Richter (GIGA) und Prof. Dr. Wetzels teilnahmen.
Die Vortragspräsentation kann hier heruntergeladen werden.