Neue Ergebnissen des MOTRA-Forschungsprojektes zur Bedeutung verunsicherter Männlichkeit für politische Einstellungen: Effekte subjektiver Bedrohungen wegen des Bedeutungsverlustes traditioneller Männlichkeitskonzepte auf das Wahlverhalten
15. Juli 2024, von Internetredaktion
Jannik M.K. Fischer vom Institut für Kriminologie an der Fakultät für Rechtswissenschaft an der UHH hat auf der European Conference on Politics and Gender (ECPG) des European Consortium for Political Research (ECPR), die vom 8.-10. Juli 2024 in Ghent (Belgien) stattfand, neue Ergebnisse des MOTRA-Forschungsvorhabens an der UHH vorgestellt. In seinem Vortrag unter dem Titel „More than the Radical Right Gender Gap? How masculine feelings of group threat influence voter intentions on the left and the right in Germany“ präsentierte er Befunde zur Bedeutung von kollektiven Formen männlicher Bedrohungsgefühle für die Erklärung geschlechterbezogener Divergenzen hinsichtlich ihrer Wahlabsicht. Dabei ergeben sich sowohl im linken wie auch rechten Parteienspektrum deutliche Unterschiede. Insbesondere zwei Wählerblöcke sind zu erkennen, die sich zum einen um die Grünen und zum anderen um die AfD versammeln.
Die bis dahin verfügbare Forschung hat mehrfach gezeigt, dass rechtsextreme Parteien deutlich häufiger von Männern als von Frauen gewählt werden. Die dafür ausschlaggebenden Gründe werden jedoch kontrovers diskutiert und waren bislang nicht zureichend geklärt.
Auf Basis von Daten der 2023 durchgeführten repräsentativen Befragungen im Rahmen der Studie „Menschen in Deutschland“ aus dem MOTRA-Projekt der UHH konnte nun festgestellt werden, dass für eine Erklärung dieser spezifischen geschlechterbezogenen Divergenzen des Wahlverhaltens unter anderem auch ein spezifisches Bedrohungserleben zentral ist, in dessen Zentrum ein subjektiv als negativ und bedrohlich erlebter Bedeutungsverlust traditioneller Männlichkeitskonzepte steht, wie er im Kontext des gesellschaftlichen Wandels der Geschlechterverhältnisse seit Längerem zu beobachten ist.
Zur Erfassung des Ausmaßes subjektiver Bedrohungswahrnehmungen, die mit dem Bedeutungsverlust traditioneller Konzepte von Männlichkeit assoziiert sind, wurde eine spezielle Skala entwickelt. Mit dieser konnte gezeigt werden, dass als bedrohlich erlebte Bedeutungsverluste traditioneller Männlichkeitskonzepte signifikante Effekte auf das über die klassische Sonntagsfrage erhobene politische Wahlverhalten haben: Je besorgter Personen über den wahrgenommenen Bedeutungsverlust traditioneller Männlichkeitskonzepte sind, desto höher sind die Raten der Wahlbereitschaft zugunsten der AfD und desto geringer ist die Bereitschaft, die Grünen zu wählen. Diese Zusammenhänge sind bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen. Multivariat erweist sich weiter, dass solche männlichen Bedrohungsgefühle das Wahlverhalten in höherem Maße beeinflussen als das Ausmaß der Konfrontation mit sozioökonomischen Belastungen oder mit anderen Formen sozialer Ausgrenzungserfahrungen der jeweiligen Eigengruppe.
Die Ergebnisse weisen nachdrücklich darauf hin, dass der Auseinandersetzung mit kulturellem Wandel, insbesondere mit gesellschaftlichen Veränderungen traditioneller Geschlechterverhältnisse und damit assoziierten Bedrohungsgefühlen, ein hoher Stellenwert für eine Erklärung der gegenwärtig vielfältig beobachtbaren Tendenzen in Richtung auf einen Bedeutungszuwachs und eine vermehrte Akzeptanz populistisch-rechtsgerichteter, demokratiedistanter politischer Gruppierungen zukommt.
Die Präsentation zu diesem Vortrag kann hier online heruntergeladen werden.