Alternative Rechtsregime durch Digitalisierung
Das Verbreitungspotential einer Reihe digitaler Anwendungen geht unter anderem darauf zurück, dass sie Transaktionen oder Kommunikation vereinfachen und vorstrukturieren. Sie erleichtern eine ubiquitäre Teilnahme und geben zugleich die Regeln der Teilnahme vor, von den Eingabedaten über die Prozessschritte bis hin zur Verwertung der Ergebnisse. Diese Kombination aus Vereinfachung und Vorstrukturierung ermöglicht es zumindest einigen Algorithmen basierten Anwendungen, Handlungen von Akteuren mit einer Breitenwirkung und Verlässlichkeit zu koordinieren, wie es sonst eher für normative Regime charakteristisch ist. Insoweit bilden sich hybride, komplementäre oder substitutive Regime aus. So schafft etwa die Blockchain-Technologie Vertrauen in die Manipulationssicherheit und Beständigkeit von Transaktionen, derartige Anwendungen lassen sich für die Konzeption alternativer Währungen nutzen oder als Grundlagen für ein elektronisches Wertpapierregister, das partiell zivilrechtliche Institute ergänzt oder ersetzt oder es ergibt sich bei smart contracts die Möglichkeit, Verträge anhand von Daten automatisch abzuwickeln und anzupassen, um nur wenige Beispiele zu nennen. Viel diskutiert ist die Frage, ob durch Plattformen, wie soziale Netzwerke, die für die gesellschaftliche Kommunikation bedeutsam sind, neben der Offenhaltung von Märkten Formen der Gemeinwohlsicherung notwendig werden. Der Sache nach geht es regelmäßig nicht um die Ersetzung des normativen Rahmens durch algorithmenbasierte Anwendungen, sondern um vielfältige Verknüpfungen beider Regime, also die Ausbildung von unterschiedlichen Formen der Handlungskoordination, die neue Regelungsbedarfe auslösen . Dabei sind unterschiedliche Rechtsfragen angesprochen, zum Beispiel in den Bereichen Kartell-, Arbeits- und Datenschutzrecht. Vor allem bei einer auf Algorithmen beruhenden Handlungskoordination liefern traditionelle Regelungsstrategien mindestens keine vollständige Lösung. Besonders greifbar sind die Herausforderungen, die im Kontext der Bildung transnationaler Regime neuen Typs auftreten. Die Ersetzung von Recht durch Code, die Ausbildung von Formen selbstdurchsetzender Verträge und die Ausbildung von alternativen Streitbeilegungssystemen führen zu Regimen transnationalen Charakters, die sich im Ansatz dem Zugriff nationaler Gesetzgebung weitgehend entziehen.
Das Forschungsfeld Alternative Rechtsregime durch Digitalisierung wird von Prof. Dr. Alexander Proelß, Prof. Dr. Ringe und Prof. Dr. Schubert betreut.