Implementierung und Effektivierung des Rechts
Der Einfluss digitaler Technologien auf die Schaffung tatsächlicher Voraussetzungen für rechtliche Interventionen und deren effektive Implementation ist ein weiterer übergreifender Bereich. In Fällen der automatisierten Verdachtsgenerierung sorgen digitale Technologien erst dafür, dass Gefahrenlagen und Sanktionsanlässe überhaupt entdeckt werden. Beispiele dafür sind etwa Predictive Policing, smarte Videoüberwachung, die Gefahrensituationen erkennen können soll, die algorithmenbasierte Überwachung von Finanzmärkten, die automatisierte Steuerfestsetzung nach § 155 Abs. 4 AO unter Einsatz von Risikomanagementsystemen nach § 88 Abs. 5 AO oder die digitale steuerliche Außenprüfung auf der Grundlage des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6 AO. In der Sache spielen diese Technologien oftmals übergreifend in den Teilrechtsordnungen eine Rolle und ermöglichen und erfordern Analysen, die auch das Zusammenspiel von Teilrechtsordnungen zum Gegenstand machen oder im Vergleich der Lösungsansätze zusätzliche Erkenntnisse gewinnen.
Eher der Rechtsdurchsetzung dienen Instrumente der digitalen Forensik zur Sichtung großer Datenmengen, um dadurch die Sachverhalte für komplexere rechtliche Entscheidungen aufzubereiten, die auf Natural Language Processing Technologien oder digitalen Bilderkennungstechniken aufgebaut sind. Auch diese sind in allen Teilrechtsordnungen beobachtbar.
Auch im Rechtsschutzsystem selbst gibt es Veränderungspotential. Schon bei Plattformen zeigt sich, dass algorithmenbasierte Anwendungen wegen ihres Potentials zur Verarbeitung von Massenvorgängen in sehr unterschiedlichen Formen Konfliktschlichtungs- und Durchsetzungsmöglichkeiten vorhalten. Ein Beispiel dafür ist das vieldiskutierte Angebot von Flightright, einem Portal, dass Entschädigungen bei verspäteten Flügen erstreitet, oder neuerdings MyRight, das im Kontext der Diesel-Affäre erhebliche Bedeutung erlangt. Solange diese Plattformen nicht substitutiv sind, können sie auch als eine Ausprägung alternativer Regime im obigen Sinne verstanden werden. Sie gibt es freilich in ganz unterschiedlichen Formen, und ihr Verhältnis zum staatlichen Gerichtsschutz ist keineswegs trivial. So setzen beispielsweise korrelationsbasierte Anwendungen als Datengrundlage eine Mindestanzahl an kohärenten Gerichtsentscheidungen mit den dazugehörigen Sachverhaltselementen als Trainingsdaten voraus. Durch diese Verknüpfungen können Anwendungen, die vermeintlich nur eine zusätzliche und schnellere Alternative zur gerichtlichen Durchsetzung bieten, die Rahmenbedingungen des Rechtsschutzsystems strukturell beeinflussen und potentiell in Konflikt mit normativen Garantien des effektiven Rechtsschutzes sowie der Verfahrensrechte geraten.
Das Forschungsfeld Implementierung und Effektivierung des Rechts wir von Prof. Dr. Alexander Baur, Prof. Dr. Dr. Milan Kuhli, Prof. Dr. Alexander Proelß, Prof. Dr. Georg Ringe und Prof. Dr. Hans-Heinrich Trute betreut.